Das Bild zeigt einige Bäume im Wald. Die Baumstämme wurde mit weißer Baumschutzfarbe angemalt

Klimaaktivist*innen malen Wald weiß an

In der Nacht vom 22. auf den 23. Juni hat sich das Erscheinungsbild des Walds hinter dem Französischen Viertel unerwartet verändert: Eine Gruppe Klimaaktivist*innen hat das 6000m² große Waldstück, das für den Bau des umstrittenen Schindhaubasistunnels gerodet werden soll, weiß markiert. Auf der anderen Tunnelseite, am Bläsiberg, sollen sogar 9500m² weichen. Bei der dabei verwendeten Farbe handelt es sich um Löschkalk - einen umweltverträglichen Stoff, der auch zum Baumschutz eingesetzt wird, um Frostrissen und Schädlingsbefall vorzubeugen. Auf einem Banner steht plakativ: “Das kommt hier alles weg!?” und: “Verkehrswende statt Baum-Ende”. “Dass Wald für Schnellstraßen gerodet wird, ist inmitten von Klimakrise und Artensterben absurd und unverantwortlich. Wir fordern den sofortigen Stopp der Planungen zum Schindhaubasistunnel und der Endelbergtrasse”, so Fabia Tömösy-Moussong, eine der Aktivist*innen. “Es kann nicht sein, das klimavernichtender Autoverkehr durch Straßenausbau belohnt wird, während anderswo auf Grund der Klimakatastrophe das Wasser knapp ist. Statt weiterem Straßenbau braucht es eine klimagerechte Verkehrswende!” Auf Erklärtafeln am Wegesrand werden das Tunnelprojekt und seine Auswirkungen auf den Wald und die Verkehrswende erklärt (siehe Anhang). Erst vor wenigen Wochen hatten über 200 Tunnelgegner*innen Einwendungen gegen das Projekt beim Regierungspräsidium eingereicht.

Klimaschaden statt Verkehrsentlastung

Laut Verkehrsprognosen des Regierungspräsidiums kommt es durch den Tunnel insgesamt zu einem höheren Verkehrsaufkommen von 24.000 Kfz/Tag mehr. Zahlreiche Studien, die auch im Bericht des wissenschaftlichen Diensts des Bundestages aufgeführt werden, zeigen, dass der Aus- und Neubau von Straßen zu mehr Autoverkehr führt. Man spricht von induziertem Verkehr. Diesen induzierten Verkehr und dessen klimaschädliche Auswirkungen ignoriert das Regierungspräsidium in der Planung vollständig. Zusätzlich werden für den autobahnähnlichen Ausbau der B27 mit Zu- und Abfahrten auch in anderen Bauabschnitten (Mössingen, Nehren) wertvolle Flächen irreversibel versiegelt und Waldabschnitte gerodet.

Aktivist Theo Döllmann stellt fest: “Das Versprechen, dass es durch den Schindhau-Tunnel eine Verkehrsberuhigung gibt und damit alles besser wird, stimmt einfach nicht. In der Verkehrsforschung ist seit Jahren klar: Der Verkehr passt sich den Straßen an - Das heißt, der Ausbau führt nur dazu, dass die Leute weitere Pendelstrecken in Kauf nehmen und reduziert die Anzahl der Autos nicht. Stattdessen brauchen wir dringend ein funktionierendes ÖPNV-Netz in der Region – also mehr Geld für die Regionalstadtbahn.”"

Zur regionalen Mobilitätswende ist das Projekt der Regionalstadtbahn ein zentraler Bestandteil. Dazu hatte sich das Regierungspräsidium aufgrund der hohen Kosten vor Kurzem allerdings kritisch geäußert. “Während der Tunnel für eine 2,3km lange Straße 500 Millionen verschwendet, erstellt die Regionalstadtbahn ein ganzes Streckennetz von insgesamt 205 km und ist dazu noch barrierearm und sozial gerecht”, kommentiert Döllmann. “Es sollte doch offensichtlich sein, welches Projekt mehr zur Mobilitätswende beiträgt, die wir zur Erreichung der Landesklimaziele brauchen.”

“Wir fordern vom neuen Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder, sofort alle Gelder, die in den Aus- und Neubau von Autostraßen fließen, einzufrieren”, sagt Aktivistin Lena Mapler. Auch den Landesverkehrsminister Winfried Herrmann fordert die Gruppe auf, ähnlich wie beim Ausbau der B28 bei Rottenburg, die Genehmigung zurückziehen und die Planungen zu stoppen. “Alle Akteure könnten sich zumindest offen gegen das Projekt positionieren. Das ständige, sich gegenseitige zuweisen von Verantwortung - wie es in Gesprächen mit der Bürger*inneninitiative und Aktivist*innen in den letzen Jahren passiert ist, ist ein feiges Verstecken hinter undurchsichtigen Verwaltungsvorgängen”, so die Mapler.